Blackout Problems (München)
Konzert am Sonntag, 27. März 2016 in Lucky’s Luke
Wer sich heutzutage für ein Leben als Musiker entscheidet, hat einen guten Grund.
Seitdem die „Blackout Problems“ sich 2012 zusammengefunden haben, ist viel passiert. Diverse Touren, Radio- und Festivalerfolge, 2 EPs und ein Album später ist das Phantasma eines glamourösen Rockstarlebens zwischen Sex, Drogen und ausverkauften Stadien immer noch ein Phantasma – und der Grund für die drei Wahl-Münchner, weiterzumachen und unermüdlich mit dem Sprinter auf der Autobahn unterwegs zu sein, scheint noch immer der gleiche zu sein.
Mit ihrem neuen Album „HOLY“ kreisen sie ihn ein. Hört man sich durch die 12 neuen Songs, die sich zwischen der ungestümen Jugendlichkeit von Enter Shikari und dem großspurigen Highway-Soundtrack eines Bruce Springsteen aufspannen – die beiden Lieblingsbands des Sängers Mario – blickt man auf das Fundament einer Band, die bei sich geblieben ist und genau zu wissen scheint warum sie tut was sie tut.
Woher die drei Musiker ihre Kraft nehmen, über ihre Kritik und ihren Frust hinaus zu einem so ehrlichen Optimismus zu finden, ist angesichts des allerorts grassierenden Zynismus einigermaßen rätselhaft – wie verbindend diese Positivität ist, zeigt sich in der Kollaboration mit Nathan Gray (Boysetsfire) und Touren mit Heisskalt und den Emil Bulls. Wie aufrichtig und stabil sie ist, beweisen die Musiker mit ihrem eigenen Leben: Do It Yourself ist hier die Devise, zum Beispiel beim eigenen Merchandise Vertrieb “Munich Warehouse”, der ausschließlich mit fairer Ware handelt. Natürlich, räumt Sänger Mario ein, machen sie sich Sorgen um die Zukunft, aber ein sicherer Job allein bedeutet auch nicht mehr als eine Verlagerung der Ängste, die vor allem eins sind: menschlich.
„Keiner ist besser als jemand anders“, sagt Bassist Marcus, „jeder sollte gleich behandelt werden. Auch live gibt es keinen Unterschied zwischen Musiker und Publikum, die Bühne ist für alle da.“ In einer Zeit, in der es nicht nur im Popzirkus meistens um Ego und Selbstverwirklichung geht, ein Plädoyer für Gemeinschaft. Und ein gutes Beispiel für die gelebte Haltung, die die „Blackout Problems“ dem Lärm der Meinungen entgegenhält – und auf „HOLY“ entgegenbrüllt. In den einfachen, ernst gemeinten Texten geht es um Freundschaft, Mut, Gerechtigkeit, Fragen der Verantwortung und Moral – lauter altmodische Werte also, oder eben: die Zukunft, für die wir bloß noch nicht bereit sind. Anachronistisch und hochaktuell also, genauso wie die Musik zwischen amerikanischem Rock und zeitgenössischem Post-Everything.
Da verwundert es nicht, dass zu den Lieblingsfilmen der Band sowohl „Into the wild“ als auch „The Social Network“ zählen.
Sinnbildlich greift auch das Albumcover die beiden abstrakten Gegensätze Urbanität und unberührte Natur auf: Der Wunsch des Menschen, sich immer weiter in Gefilden zu verlieren die ihm nicht gehören und die dabei entstehenden Rückschläge – dargestellt vom Brighton Pier, der sich weit hinein in den Ozean erstreckt und, Jahre nach seiner Erbauung, Opfer eines gewaltigen Brandes wurde. Die restaurierten Überreste dienten der Band als Kulisse und Inspiration gleichermaßen.
“HOLY” klingt offen, hell, aufgeräumt. Während Schlagzeuger Michael sich fordernd und vehement durch die Songs prügelt, strahlen die Gitarren förmlich um die Wette – und der Gesang bettet sich in seiner stylischen Unperfektheit perfekt ein in diesen angenehm wenig aufgeblähten Sound, dem man die vielen Live-Shows an jeder Stelle anhört.
Die Melodien dagegen scheuen nicht die große Geste. Und die Songs halten das aus. Produzent Philipp Koch (Heisskalt) ist dem Purismus der Band mit gekonnter Zurückhaltung begegnet, und so entstand ein Album, das groß ist und dabei ohne Posen auskommt. Unverspieltes Spiel, unverkleideter Stil, unverhohlene Aussagen: Man kann das naiv finden. Man kann aber auch einfach den Hut ziehen vor so viel Straightness. Und sich der hoffnungsvollen Prognose der Band anschließen und den Aufbruch besingen: „We will be one“.
Text: Susanne Heinrich und Mathias Bloech
Foto von Ilkay Karakurt
http://www.blackout-problems.com/
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An Early Cascade
Post-Hardcore und Progressive Rock aus Stuttgart
AN EARLY CASCADE – erschreckend moderner Post-Hardcore aus der überalterten Peripherie Stuttgarts.
AN EARLY CASCADE erfinden sich seit nunmehr zehn Jahren Bandgeschichte unermüdlich neu. In der zum Proberaum ausgebauten Scheune eines Aussiedlerhofes vor den Toren Stuttgarts aus der Taufe gehoben, wachsen sie schnell aus der Provinz heraus und spielen auf einem nervenaufreibenden Ritt durch Screamo/Emo, Metalcore und Post-Hardcore musikalisch von Beginn an in einer Liga mit den ganz Großen der Szene. Mit dem Album “Versus” (2011) produzieren sie gemeinsam mit Jan Kerscher von Ghost City Recordings eine der interessantesten Platten des Jahres, auf der sie elf Songs lang den Bruch suchen, Genregrenzen verwischen und zu deren Singleauskopplung “Everything Is Wrong. Everything Is Ok.” ein Musikvideo mit Referenzqualität entsteht. “Versus” tut weh, überrascht und fordert – bleibt dabei aber immer unmittelbar fühlbar und nah: So geht moderne Core-Musik, verdammt.
Im November diesen Jahres erscheint die EP “Kairos”, auf der die Band uns – so viel darf vorweggenommen sein – im noch roheren Soundgewand und mit einer entwaffnenden Unaufgeregtheit weitere klangliche Facetten präsentiert, die in Punkto Innovation selbst im internationalen Vergleich eine vortreffliche Figur machen. Da steigt die Vorfreude auf ein weiteres Album mit dem Kaliber von “Versus” und man darf zurecht gespannt sein, wohin die Reise als nächstes gehen wird!
Zuerst einmal sicherlich über die Autobahnen der Republik: Während einer Dekade Bühnenerfahrung haben die fünf Jungs zu Genüge bewiesen, dass ihnen ihr Ruf als brachiale Live-Band zurecht voraus eilt. Und doch sind es ihre jüngsten Shows, die sie mitreißender und hingebungsvoller spielen denn je – sei es als Tour Support für Heisskalt, die Emil Bulls oder auf irgendeiner abgeranzten Jugendhausbühne.
AN EARLY CASCADE fallen auf, zwischen all den ausgedachten Reissbrett-Bands und ihrer uninspirierten und schnelllebigen Egal-Musik. Sie sind eine Band, die zusammen groß geworden ist und etwas zu erzählen hat. Und das hört man. Ohren auf!
Text: Mathias Bloech
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